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Sonntag, 5. November 2017

Inversion - Kehret um!


Gerade eben, als ich einen Spaziergang machte, kam bei mir nochmal die Frage auf,  an welchem Punkt meines spirituellen Weges die Aufmerksamkeit eigentlich nach innen umschlug, also, das was bei Jesus "Umkehr" nennt. Daraufhin fiel mir  ein, dass es wohl der Zeitpunkt war, als ich erkannte, dass die Übung der Annahme und Achtsamkeit nicht primär auf das Äussere gerichtet werden darf, - also auf das, was mir von den Menschen und Situation entgegenkommt - sondern primär auf mich selbst, auf das Innere, meine innere Befindlichkeit.
Change. Die Morgenröte des Neuen Tags brach an, als es mir wie Schuppen von den Augen fiel, dass es nicht darum geht, die Menschen/Situationen in der Welt "da draussen"  anzunehmen, die mir Schmerz und Leid zufügten, sondern meine eigene REAKTION, meine Gefühle darauf. Statt vorschnell die äussere Situation "anzunehmen", den Menschen zu vergeben und den Schmerz zu verdrängen, fing ich an, die "Hingaberichtung" zu ändern und mich selbst im Hier und Jetzt meiner Person anzunehmen, meine bösesten, hasserfülltesten  und schmerzhaftesten Gefühle und Gedanken und erlaubte mir immer mehr Gefühls- und Denk-Tabus zu brechen. Ich erlaubte mir, egoistisch sein zu dürfen, hinterfragte u.a. den Glauben, dass Selbstliebe in jedem Falle eine Todsünde ist usw... 

Die christliche Art der Annahme ist die Sado-Maso-Art, wie sie mich durch eine teils sehr rigide christliche Erziehung geprägt hat. Deshalb war es für mich notwendig,  das "Christentum" wie einen Dämon zu exorzieren, es war der Dämon, der mir die allergrößten Schuldgefühle, Strafängste und sogar Todesängste verursachte. Wer Erfahrungen hat mit Dekonditionierung scheinbar überlebensnotwendiger Dogmen, der weiss, von was ich spreche. Aus dem Konsensus auszubrechen heisst: Du bist draussen, gewissermassen ein Paria, die Stammes- oder Sozialgemeinschaft entläßt ihre Stammesmitglieder nicht freiwillg in die Freiheit - das ist ein Kampf auf Leben und Tod. 

Interessant, nein, bezeichnend: Bis zu dem genannten Zeitpunkt der Umkehrung nach Innen zu  mir selbst hin als dem erlebenden und leidenden Subjekt,  meditierte ich  nicht,  sondern  betete und übte mich darin, alles, war mir geschah demütig und wehrlos aus Gottes Händen anzunehmen  - dann, mit der Umkehr begann die Meditation, ganz natürlich und  ganz aus sich SELBST heraus. Ich habe viele Jahre gebraucht,  bis ich retrospektiv einen Begriff dafür fand, was in den frühen Morgenstunden mit mir geschah, wenn ich quasi aus dem Bett geworfen wurde  und (wie von einer höheren Macht bzw. einer mächtigen Sehnsucht getrieben) meine "Stuhlsitzung" am Schreibtisch  vor meiner bilderlosen weissen Wand machte. Ich hatte keine Ahnung, dass man das Meditation nennt, ich wusste auch nicht, warum ich wie in Trance alle Bilder abhängen musste...  Erst als ich 2011 begann, mich im Netz auf dem spirituellen Marktplatz umzusehen, begegneten mir diverse Meditationsmethoden, darunter auch die Meditation vor einer weissen Wand im Kontext mit dem Zen-Buddhismus.  Und nach und nach fiel es mir auf:  So vieles, was mir ganz natürlicherweise geschehen ist, ohne Worte dafür zu haben - wenn und weil ich mich allein von meinen Inneren Instinkten und Intuitionen leiten liess -  wird in spirituellen Gemeinschaften/Klöstern seit alterher als  Übung vorgegeben.  Aber immer war da zuerst  jemand, der niemals traditionell geübt hat, der nichts GEMACHT hat, sondern vielleicht einfach nur "umgekehrt" ist und alles weitere geschah einfach so ohne sein Zutun, weil seine Hingabe vollkommen war und vor allem in die richtige Richtung ging.  Tja, und die Nachwelt macht aus seinen Beschreibungen lebendiger Erfahrung ein (Übungs-)Programm.

Aus der Rückschau gesehen glaube ich heute,  dass mein Weg der SELBST-Realisation ein sehr langer, aber ein absolut perfekter, weil organisch verlaufender Weg war, bei dem eines harmonisch ins andere griff. Zuerst der Glaube an Gott, das Gebet, welches überleitet in die Achtsamkeit - Meditation-Gewahrsein. Perfekt!
Nach dem Exorzismus meiner schwarzchristlichen Prägung habe ich mit der Zeit von innen heraus einen ganz neuen - mystischen - Zugang zum Christentum und seinen Schriften gefunden, und damit einen Zugang zum Kern aller Religionen.

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